LowTech, Konzept 2226, Baumschlager Eberle Architekten, Prof. Gerd Jäger, Jaeger,  Perlit, MiWo, Wärmedämmfassade, Stiftung
© Ulrich Schwarz, Berlin

Unionhilfswerk Berlin | Lowtech-Konzept für moderne Büros

Der Sozialträger Unionhilfswerk Berlin wünschte einen unprätentiösen, aber kraftvollen Neubau – mit besonderem Fokus auf Nachhaltigkeit. Das Berliner Büro von Baumschlager Eberle Architekten schuf ein Haus von schlichter Eleganz und klarer Ordnung, das sich in seine Umgebung einfügt, hohe Aufenthaltsqualität mit modernen Arbeitsbedingungen verbindet und schonend mit Ressourcen umgeht. 

Weniger ist mehr. 

Langfristige Energieeffizienz durch natürliche Wirkprinzipien.

Der Einsatz teurer und wartungsintensiver Technik, um die Energieoptimierung von Gebäuden zum Kinderspiel zu machen, ist den Architekt:innen von Baumschlager Eberle zu kurzfristig gedacht. Angelehnt an das Lowtech-Konzept ihrer “2226”-Projekte entwickelten sie für den neuen Hauptsitz der Stiftung Unionhilfswerk ein Gebäude, das sich die Gesetze der Physik zu Nutze macht und durch einen geringen Gesamtprimärenergiebedarf auszeichnet. Die thermische Masse der Gebäudehülle aus hochwärmedämmenden Poroton-Ziegeln spielt dabei eine wichtige Rolle. 

Ziel war es, bei größtmöglicher Behaglichkeit und besten Raumkonditionen mit möglichst wenig Technik auszukommen und einen Gesamtprimärenergiebedarf von 100 kWh/m²a nicht zu übersteigen. Dieser Zielwert wurde bei dem Neubau mit 62,1 kWh/m²a weit unterschritten.

 

„Technische Systeme sind teuer, wartungsintensiv, erhöhen die Lebenszykluskosten und haben selbst einen hohen Energiebedarf,“ erläutert Prof. Gerd Jäger, Mitbegründer und Geschäftsführer Baumschlager Eberle Architekten Berlin.

LowTech, Konzept 2226, Baumschlager Eberle Architekten, Prof. Gerd Jäger, Jaeger,  Perlit, MiWo, Wärmedämmfassade, Stiftung
© Ulrich Schwarz, Berlin
LowTech, Konzept 2226, Baumschlager Eberle Architekten, Prof. Gerd Jäger, Jaeger,  Perlit, MiWo, Wärmedämmfassade, Stiftung
© Ulrich Schwarz, Berlin
Lowtech mit elementaren Mitteln der Architektur.
 

Inmitten des heterogenen Umfelds der denkmalgeschützten Flughafenanlage Tempelhof ruht das Verwaltungsgebäude des Unionhilfswerks, als wäre es immer schon dagewesen. Grund dafür ist die geordnete Lochfassade mit stehenden Fensterformaten und umlaufenden Faschen, die an die gründerzeitlichen Bauten Berlins erinnert. Die schlichte Eleganz und klare Ordnung des 5-geschossigen Bauwerks scheint darüber hinaus gebauter Ausdruck eines nachhaltigen Ansatzes zu sein, der über die zeitlose Gestaltung hinaus geht: Für das im Jahr 2021 fertiggestellte Bürogebäude entwickelte die Berliner Dependance des Architekturbüros Baumschlager Eberle ein Lowtech-Konzept, dass sich langfristig positiv auf die Aufenthaltsqualität, den Energieverbrauch und die Lebenszykluskosten auswirkt. Dabei profitierten die Architekt:innen von ihren Erfahrungen aus den sogenannten  “2226”-Projekten, denen der Anspruch zu Grunde liegt, ein Haus ohne Heizung und Kühlung zu bauen, welches eine konstante Raumtemperatur zwischen 22 und 26°C hält.

Gemäß der Prämisse “Speichern statt Dämmen” nutzten die Architekt:innen die thermische Speichermasse der Außenwände und Geschossdecken und optimierten den Anteil der Verglasungen, um Wärmeverluste zu verringern. Die Fenster, die innenbündig mit der Außenfassade positioniert sind, werden durch die tiefen Laibungen bei hochstehender Sommersonne verschattet. So kann fast vollständig auf außenliegenden Sonnenschutz verzichtet werden. Um dennoch möglichst viel Tageslicht in den Büroräumen einzufangen, sind die seitlichen Laibungen abgeschrägt. Sollte die Nachtauskühlung über die zentralen Lichthöfe einmal nicht ausreichen, kann die Fußbodenheizung, die über eine reversible Wärmepumpe in Verbindung mit einer Photovoltaikanlage versorgt wird, zum kühlen herangezogen werden. Lediglich an wenigen Tagen im Jahr muss das Gebäude über die Fußbodenheizung zusätzlich geheizt werden: Die in den Wänden und Decken gespeicherte Wärme kann bis zu drei Monate an den Innenraum abgegeben werden. Aus diesem Grund sind - außer in den Besprechungsräumen und den Großraumbüros mit erhöhten Schallschutzanforderungen - keine abgehängten Decken zu finden.

Interview über den Neubau des Unionhilfswerks

mit Prof. Gerd Jäger, Geschäftsführer Baumschlager Eberle Berlin und Norbert Prochnow, Stiftungsvorstand Unionhilfswerk Berlin.

Bauphysikalisch und statisch wirksam.

 

Aus statischen Gründen wurde für den monolithischen Wandaufbau ein 42,5 starker Poroton-Ziegel mit Mineralwollefüllung verwendet: Mit Druckfestigkeitsklasse 12 und einer charakteristischen Mauerwerksdruckfestigkeit von 5,2 MN/m2 erfüllt der Poroton-S10-MW die erhöhten statischen Anforderungen, die aus der mehrgeschossigen Bauweise resultieren. Um den Wärmeschutz zusätzlich zu erhöhen, ergänzten die Architekt:innen von Baumschlager Eberle die Konstruktion um den mit Perlit gefüllten Ziegel Poroton-WDF. In der Summe entsteht so ein 59 Zentimeter starker Wandaufbau mit einem Gesamt-U-Wert von 0,15 W(m²K). Die quasi monolithische Konstruktion wurde innen mit einem raumklimaausgleichenden Kalkputz ergänzt. Außen prägt ein zweilagiger Putz, der in Besenstrichtechnik aufgetragen wurde, das äußere Erscheinungsbild des Verwaltungsgebäudes.

 

 

 

 

"Die Speicherfähigkeit der Steine reicht bis zu drei Monaten. Wenn die Wand vom Spätherbst noch Wärme mitnehmen kann, reicht das bis in den Februar." — Prof. Gerd Jäger, Baumschlager Eberle Berlin. 

Zukunftsweisende Begegnungswelt
 

Soziale Nachhaltigkeit entsteht durch die barrierefreie Zugänglichkeit eines Gebäudes sowie die Förderung von Integration, Austausch und Kommunikation. Ebenso langfristig wie die Architektur selbst, sollte auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter der Stiftung sein. Ziel war es daher, ein modernes und flexibles Arbeitsumfeld im Sinne eines sozialen Begegnungsraumes abseits von klassischen Einzelbüros zu schaffen. Und der Versuch ist geglückt: Um auch in Zukunft möglichst flexibel auf die sich verändernden Bedürfnisse der Mitarbeiter und der Organisation reagieren zu können, sind alle Ebenen sowohl als Dreibund – mit Mittelzone für Kommunikationsinseln – wie auch als offenes Großraumbüro oder für alternative Büroformen nutzbar. Ein zentrales Element des Büroneubaus bilden die zueinander versetzt angeordneten Licht-Innenhöfe: Sie schaffen räumliche Verbindungen und vielseitige Blickbeziehungen über alle Geschosse hinweg.

LowTech, Konzept 2226, Baumschlager Eberle Architekten, Prof. Gerd Jäger, Jaeger,  Perlit, MiWo, Wärmedämmfassade, Stiftung
© Ulrich Schwarz, Berlin
Nachhaltigkeitsanspruch von Baumschlager Eberle

Für Baumschlager Eberle Architekten umfasst Nachhaltigkeit über Energiefragen hinaus stets auch kulturelle und materielle, soziale und ökonomische Themen. Konkret: Bei der Energiebilanz eines Gebäudes zählen nicht nur Energieverbrauch und CO2-Ausstoß, Dämmung und Haustechnik – vielmehr wird der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes in den Blick genommen: seine Nutzbarkeit und Akzeptanz über Generationen hinweg, sein Umgang mit Ressourcen und Materialien, seine städtebauliche und ästhetische Qualität bis hin zu den Lebenszykluskosten. 100 bis 200 Jahre sollte der Beitrag eines Gebäudes zum öffentlichen Raum betragen – so der Anspruch von Baumschlager Eberle Architekten.

Geschäftsführer BE Baumschlager Eberle Berlin, Jaeger, Portraitfoto, Objekt Unionhilfswerk Berlin
Prof. Gerd Jäger / Baumschlager Eberle Architekten Berlin
© Stefanie Aumiller

„Wir haben lange gesucht, um ein Produkt zu finden, das allen Ansprüchen gerecht wird. Ein einheitlicher Putzgrund mit minimierter Rissgefahr war uns wichtig. Der Hersteller der Ziegel hat viele standardisierte Systemkomponenten für Verkleidungen von Stürzen, Decken und Stützen im Programm, so dass wir ohne kostenintensive Sonderanfertigungen arbeiten konnten“ , so Projektarchitekt Vojtech Bast, harris + kurrle architekten bda, Stuttgart

Geschäftsführer BE Baumschlager Eberle Berlin, Jaeger, Portraitfoto, Objekt Unionhilfswerk Berlin
© Stefanie Aumiller

„Wir haben lange gesucht, um ein Produkt zu finden, das allen Ansprüchen gerecht wird. Ein einheitlicher Putzgrund mit minimierter Rissgefahr war uns wichtig. Der Hersteller der Ziegel hat viele standardisierte Systemkomponenten für Verkleidungen von Stürzen, Decken und Stützen im Programm, so dass wir ohne kostenintensive Sonderanfertigungen arbeiten konnten“ , so Projektarchitekt Vojtech Bast, harris + kurrle architekten bda, Stuttgart

Zahlen und Fakten

  • Objekt: Haupsitz der Stiftung Unionhilfswerk Berlin
  • Standort: Schwiebusser Str. 18, 10965 Berlin
  • Architekten: Baumschlager Eberle Architekten Berlin
  • Bauherr: Stiftung Unionhilfswerk Berlin
  • Außenwände: Poroton S10-42,5-MW und Poroton-WDF (120 bzw. 80 mm) mit Perlitfüllung
  • Energetischer Standard: Passivhaus, U-Wert der Außenwände  0,15 W(m²K)
  • Fertigstellung: 2021 / 2022 (Bezug)

Mehr Informationen zum 2226-Konzept von Baumschlager Eberle:
 

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