Der Neubau der Stadtbibliothek entstand an einer städtebaulich wichtigen Stelle zwischen dem erhöht liegenden, imposanten Bischöflichen Palais und dem Eingang der tiefer gelegenen, niedriger bebauten Altstadt von Rottenburg. An der Schnittstelle ganz unterschiedlicher Maßstäblichkeiten vermitteln die verschiedenen Traufhöhen des Neubaus – bedingt durch das gerade Satteldach auf der geknickten Gebäudeform – gekonnt. Der Baukörper der Stadtbibliothek wurde in Anlehnung an die geknickte Bauform des Nachbargebäudes als dessen Gegenüber entwickelt: es entsteht ein räumlicher Dialog. Der dabei definierte Zwischenraum wird als öffentlicher Weg freigegeben, ein typischer Schleichweg im mittelalterlichen Stadtgrundriss. Auch im Detail werden Themen der Umgebung aufgenommen. So orientieren sich die Oberflächen von Fassade und Dach – Putz und Kupfer – an den in der Altstadt vorhandenen Materialien. Der Glasanteil der Fassade bleibt maßvoll, geschlossene Flächen überwiegen. Dazu gehört auch der Verzicht auf spektakuläre Gesten.
Im Erdgeschoss dagegen symbolisiert eine großflächige Verglasung das Selbstverständnis der Bibliothek als offenes Haus für die Bürger und verbindet den Stadtraum mit dem Innenleben: über ein Café, das zugleich als Veranstaltungsraum und im Sommer mit Außengastronomie genutzt werden kann, sowie über den von außen einsehbaren Empfang der Bibliothek. In den Obergeschossen mit den eigentlichen Bibliotheksflächen steht die Gestaltung der umfassenden Wände im Vordergrund. Im Innern entstehen durch raumbildende Regale Bücherräume, gegliedert durch die großen Fenster mit tiefen Laibungen, die zum Sitzen und Lesen einladen. Die Leser in den Fenstern werden von außen sichtbar und transportieren so die Funktion des Hauses in den öffentlichen Raum. Im Gebäude bietet jedes der Lesefenster einen eigenen, gerahmten Blick in die Stadt, die dadurch selbst zum Bestandteil der neuen Stadtbibliothek wird.